Lass beim Sex die Socken an (German Edition) by Karin Köster

Lass beim Sex die Socken an (German Edition) by Karin Köster

Autor:Karin Köster [Köster, Karin]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Karin Köster
veröffentlicht: 2014-10-03T04:00:00+00:00


„Da haben Sie gewaltiges Glück gehabt“, erklärte der Unfallarzt und funkelte mich durch seine Hornbrille belustigt an. Er war ein Mittfünfziger mit zurückweichendem Haaransatz und trug den obligatorischen weißen Kittel. In einer der beiden Brusttaschen steckten etwa zweiundfünfzig Kugelschreiber, in der anderen klemmte ein Diktiergerät. Eine seiner Angestellten wickelte die letzte Lage Verband um meinen Knöchel und fixierte ihr Werk mit braunem Pflasterband. Der Arzt warf einen flüchtigen Blick darauf.

„Wenn Sie das nächste Mal eine Tür öffnen wollen, dann benutzen Sie am besten die Klinke, ha, ha! Einfach runterdrücken, ha, ha! Das geht viel einfacher und tut auch nicht weh“, empfahl er mir glucksend.

Selten so gelacht! Was für ein Spaßvogel! Die Arzthelferin kicherte mädchenhaft und warf ihrem Chef bewundernde Blicke zu. Ich hingegen ging auf seinen Scherz nicht ein, ich vermochte mir nicht einmal ein Lächeln abzuringen und auf einmal wirkte er zutiefst beleidigt, ganz so als hätte ich ihn zurückgewiesen.

„Tragen Sie täglich zweimal die Salbe auf und nehmen Sie die Schmerztabletten, die wirken gleichzeitig abschwellend“, bellte er und verschwand grußlos in der nächsten Kabine.

Ich unterdrückte ein Gähnen und sah auf die Uhr. Dreieinhalb Stunden hatte ich in der Praxis verbracht und ich hoffte, dass Liebhild die Zeit unter anderem dafür genutzt hatte, den vollgeschissenen Kasten auszuleeren.

Ich humpelte nach draußen zum Spaßmobil und setzte mich hinters Steuer, doch statt zurück zum Hof zu fahren, beschloss ich, die kostbare freie Zeit für eigene, viel wichtigere Belange zu nutzen. Liebhild konnte schließlich nicht wissen, wie lange ich beim Arzt gesessen hatte.

Während der nächsten drei Stunden graste ich Behörden und Banken ab und suchte meinen Steuerberater auf. Als ich alles erledigt hatte, war ich nervlich am Ende: Ich hatte jede Menge Formulare ausgefüllt und mir mehrfach anhören müssen, dass ich jetzt bankrott war. Man gewährte mir wegen des laufenden Kredits für die Kühltheke keinen Zugriff auf meine Rücklagen, doch dank einer mitfühlenden Bankangestellten hatte ich zumindest eine kleine Summe Bargeld in der Tasche. Gott sei Dank, denn sonst hätte ich zu Fuß nach Kuhstedt gehen beziehungsweise humpeln müssen. Die rote Warnlampe der Tankanzeige leuchtete nämlich, also hielt ich an der nächsten Tankstelle, füllte ein paar Liter ein und musste mich von einem Teil meines Geldes schon wieder trennen. Im Geiste rechnete ich nach, wie viel mir noch blieb.

„Wie viel?“ Ein Mann mittleren Alters lehnte am Spaßmobil, als ich aus dem Tankstellen-Shop kam.

„Siebenunddreißig Euro zweiundvierzig“, sagte ich automatisch. Mehr Geld hatte ich nicht – auf unabsehbare Zeit. Aber – was ging den fremden Mann das an?

„Siebenunddreißig und ein paar Zerquetschte?“ Er betrachtete mich abschätzend. „Machst du’s ohne Gummi?“

Ach herrje, jetzt dämmerte es mir endlich. Arschgesicht! In seiner Familienkutsche befanden sich drei Kindersitze und seine Frau wartete daheim vermutlich mit dem Mittagessen auf ihn.

„Klar doch, und ohne Betäubung! Und Sie sind ganz sicher, dass Sie eine Geschlechtsumwandlung wünschen?“, flötete ich.

„Hä?“, machte er verunsichert und entfernte sich langsam aber sicher. Ich starrte ihm kopfschüttelnd nach, bis er sich in seinen Kombi gesetzt hatte und davongefahren war.

Daheim traf ich auf den aalglatten, jedoch unzweifelhaft gutaussehenden Marc Ständer. Er lehnte an seinem Passat, kaute Kaugummi und schien auf mich zu warten.



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